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PALM TREES OF IRAQ, 2014
serigraphs (CMYK / CM / C / M)
on paper



EIN BRIEF VON HENRY LAGOS, 08.08.2014


Since I was little I blackened my eyes with the nights of Iraq
and colored my hands red with the clay of Iraq
and let my hair grow long to resemble the palm trees of Iraq!

Su'ad al-Sabah


Lieber Wolfgang,

durch die Poesie wurden die Palmen des Irak zum Symbol eines Landes erhoben, weit bevor die Koalition der Willigen 2003 einmarschierte und ihnen zusetzte. Nun hast Du eine Serie von Siebdrucken hergestellt , die diesen Titel trägt. Sie gibt mir Anlass zu einigen Überlegungen und zu einer Fortsetzung unseres Dialoges zwischen Bild und Wort.

Wir sprechen also über ein Symbol. Die Rodungen von Dattelpalmen im Irak aus militärischen Grüden haben nicht weniger Symbolkraft als der Sturz der Denkmäler von Saddam Hussein. Zeichen für Besatzung und Fremdherrschaft, für Demütigung und Gewalt. Deine Palmen sind Kriegspalmen, auch wenn sie den Krieg nicht zeigen. Sie stehen im Zeichen eines Krieges. Aber warum wähltest Du die etwas angestaubte Technik des 4-Farb-Siebdruckes (CMYK), um diese Motive zu reproduzieren? Was machen die Drucke sichtbar, das uns in den Fotografien, die ihnen zugrunde liegen, entgeht? Lass mich ein bisschen weiter ausholen.

Die perfekte Reproduktion bietet die Möglichkeit, in die Bildebene einzutauchen und sich der Illusion hinzugeben. Samuel Taylor Coleridge prägte im frühen 19.Jahrhundert den Begriff der "willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit" (the willing suspension of disbelief) und meinte damit, dass wir als Betrachter bereit sind, den diegetischen Raum eines Stückes (heute meinen wir: eines Filmes, eines Fotos) für wahr zu nehmen, vor allem der besseren Unterhaltung wegen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll die Ebene des Bildhaften möglichst ausgeblendet werden. "Die Spuren des Reproduktionsprozesses, seine Lücken," (wo bleibt der Klang eines Fotos und wo der Duft eines Filmes?) "seine Mechanismen werden verschleiert, damit das Produkt als ein naturalisiertes, organisches Ganzes erscheinen kann" (Zizek).

Das vermögen Deine Siebdrucke nicht. Im Gegenteil, durch die teils grobe Rasterung lassen sie anschaulich werden, dass sich das Motiv aus 4 gerasterten Farbschichten zusammensetzt. Das gedruckte Bild erscheint mehr als Konstruktion von denn als Analogon zur Wirklichkeit. Die Siebdrucke fügen dem Motiv neben der Perspektive, die sich ins Bild eingeschrieben hat, die Perspektive des Betrachters hinzu, denn er wird gewahr: je näher ich herantrete, desto weniger sehe ich. Deine Drucke erzeugen eine entfernte Nähe.
Das Bild wird in gewisser Weise außerhalb seiner selbst gestellt, außerhalb des diegetischen Raumes, den es erzeugt.
Der Siebdruck attackiert das Bild auf der Bildebene selbst, denn er ist Konstruktion und Destruktion zugleich. Er ist konstruktives Mittel zwecks Abbildung der Wirklichkeit und destruktives Mittel zwecks Auflösung des Bildes in ein System von Punkten und Löchern. Er erzeugt keinen Riss in der Oberfläche des Realen, vielmehr lässt er diese Oberfläche wie einen halb durchlässigen Schleier erscheinen: durchscheinend, löchrig, fehlerhaft.

Mallarme kehrte die Referenzbeziehung zwischen seinen Texten und der äußeren Wirklichkeit (in der ursprünglichen Absicht, eine göttliche, objektive Idealität durch das Gedicht sichtbar zu machen) in interne Relationen zwischen den Wörtern um. Die Wörter werden zu Elementen von wechselseitigen Beziehungen und die sie trennende Leere wird als Grund des Textes sichtbar. Der Abstand zwischen den Buchstaben erscheint als Leerstelle, als Zeichen von Abwesenheit.
Eine ähnliche Leere tritt in Deinen Drucken hervor, bei näherer Betrachtung erblickt man hinter dem Motiv die Leere des Papiers. Was bewirkt diese Art der Reproduktion in Bezug auf das Motiv selbst? Du zeigst Palmen aus dem Irak. Kriegs-Palmen nannte ich sie oben, der starke Rückgang der Bestände der Dattelpalmen (und anderer) symbolisiert die Verletzungen durch den Krieg.
Dem steht der westliche, freizeitorientierte Blick auf die Palme als Motiv für Fototapeten gegenüber: Palmenstrand, Bacardi, Südsee.
Deine Drucke nun scheinen zu sagen: Ja, es gibt das romantische Motiv der Palme, aber es ist nicht mehr darstellbar, es hat sich verflüchtigt, da es von der Ebene des Krieges überzogen wurde. Wer sich dem Motiv dennoch vollständig hingibt, obliegt einer Täuschung. Genau das ist es, was sich in der Unzulänglichkeit und Unvollständigkeit Deiner Drucke zeigt. Im Streit der Ideologien verflüchtigt sich das Motiv, wirkt konstruiert und brüchig.
Ich bedauere, keine Fliege zu sein. Ich landete auf einem Deiner bedruckten Blätter und starrte mit meinen riesigen Facettenaugen auf die Bildoberfläche. Was würde ich sehen? Ein paar farbige Kleckse, zu einem bunten Parcour geordnet und dazwischen - viel weiße Leere.

Ich grüße Dich!
Henry